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Infoblatt Jugendarbeitslosigkeit


Gründe für die hohe Jugendarbeitslosigkeit und ihre Verteilung innerhalb Deutschlands



Jugendarbeitslosigkeit in der EU / 2000 (Klett)

Jedes Jahr zu Beginn des neuen Schuljahres machen die Medien darauf aufmerksam, dass zahlreiche Jugendliche wieder keine Lehrstelle gefunden haben.
Ebenso wie Frauen bilden auch Jugendliche bis 25 Jahre eine Problemgruppe des Arbeitsmarktes, die im besonderen Maße von Arbeitslosigkeit betroffen ist. Im Gegensatz zu der Frauenarbeitslosigkeit sind die Ursachen und Auswirkungen der Jugendarbeitslosigkeit vielschichtiger, zudem ist der Grund für die Arbeitslosigkeit von Jugendlichen vorrangig auf die konjunkturelle Arbeitslosigkeit zurückzuführen. In Wirtschaftskrisen geht die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen aufgrund zeitlicher und finanzieller Kostenersparnisse sehr stark zurück. Während ältere Beschäftigte bereits über einen erheblichen Wissensvorrat verfügen und flexibler eingesetzt werden können, müssen neue und junge Beschäftigte erst ausgebildet und angelernt werden. Selbst auf Jugendliche, die bereits eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben, trifft dies zu, da die Ausbildung nur eine erste Basis bildet, auf die ein lebenslanger Lernprozess sowohl im alltäglichen Leben als auch im Berufsleben folgt. In diesem lebenslangen Lernprozess wird immer neues Wissen erworben, welches dann in den jeweiligen Arbeitsprozessen unbewusst zur Verfügung steht und Arbeiten erleichtern. Diese Art Wissen wird auch als "tacit knowledge" oder "stilles Wissen" bezeichnet. Da Jugendliche nicht in diesem Maße über einen solchen Wissensvorrat verfügen, sind sie gegenüber älteren Arbeitnehmern im Nachteil.
Betroffen von der Jugendarbeitslosigkeit sind vor allem ausländische Jugendliche, insbesondere Kinder früherer Gastarbeiterfamilien, sowie Jugendliche, die über keine abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung oder nur über ein geringes Qualifikationsniveau, wie z. B. einen Hauptschulabschluss, verfügen. Soziale Brennpunkte, in denen die Ausgangsbedingungen für Kinder und Jugendliche unter einem sehr schlechten Stern stehen, sind z. B. Teile des Ruhrgebiets, Hamburg-Harburg und Berlin-Kreuzberg.
Neben der konjunkturellen Wirtschaftsentwicklung ist die Jugendarbeitslosigkeit zudem von der Stärke der einzelnen Geburtenjahrgänge abhängig. So treten auch hier regelmäßige Schwankungen auf, die zu einem Überhang an Lehrstellen oder einem Mangel dieser beitragen und entsprechend die Höhe der Jugendarbeitslosigkeit beeinflussen.
Auch wenn die Situation der arbeitslosen Jugendlichen unter 25 Jahren in Deutschland als sehr angespannt gilt, besitzt die BRD mit rund 10 % eine der niedrigeren Quoten innerhalb der EU-Staaten. Der EU-Durchschnitt liegt bei ca. 20 % (Eurozone) bzw. 20,6 % (EU-27). Die Niederlande weisen die geringste Quote auf (7,3 %), während Staaten bzw. Regionen wie Spanien (41 %), das Baltikum (> 30 %), Italien (28,2 %), Irland (28,6 %), Ungarn (27,6 %), Schweden (26,6 %) und Griechenland (27,5 % - Wert von Dez. 2009) weit über dem Durchschnitt liegen (Stand Feb. 2010). Ein Grund für das relativ günstige Abschneiden Deutschlands liegt in dem spezifischen Ausbildungsweg, dem sog. Dualen System, also einer Kombination der praktischen Ausbildung im Betrieb wie auch der theoretischen Ausbildung in den Berufsschulen. Dieser Ausbildungsweg erleichtert den Eintritt in das Berufsleben. So werden Auszubildende bereits während ihrer Ausbildung mit betrieblichen Abläufen vertraut gemacht und können schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt nützliche Erfahrungen für ihr zukünftiges Berufsleben sammeln.
In den Transformationsstaaten Bulgarien, Polen und der Slowakei liegt die Jugendarbeitslosigkeit über 30 %. In einigen Regionen der neuen EU-Mitgliedsländer geht die Arbeitslosenquote unter den Jugendlichen sogar weit darüber hinaus: So beträgt sie im östlichen Polen rund 50 %, d. h. jeder zweite Jugendliche im erwerbsfähigen Alter ist arbeitslos. In der bulgarischen Region Severozapaden ist bei einer Jugendarbeitslosenquote von 75 % jeder Dritte von vier Jugendlichen ohne Arbeit. Hier tritt wie in Ostdeutschland – wenn auch nicht in diesem Umfang – das Problem auf, dass die meisten Unternehmen aufgrund ihrer Wirtschaftsschwäche keine Jugendlichen ausbilden bzw. nach einer Ausbildung einstellen.
Dass in der BRD die neuen Bundesländer gegenüber den alten Bundesländern dennoch besser abschneiden, lässt sich u. a. auf die hohe Abwanderungsquote der Jugendlichen zurückführen. Andererseits werden durch Bund und Land gezielt Fördermittel zur Verfügung gestellt, um Anreize zur Ausbildung zu schaffen. 80 % der ostdeutschen Ausbildungsplätze sind subventioniert. Die Mitnahmeeffekte sind dabei ähnlich denen der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Folge dessen wiederum ist, dass die Ausgebildeten selten im Ausbildungsbetrieb übernommen werden, was wiederum zur Arbeitslosigkeit und/oder Abwanderung junger Arbeitskräfte beiträgt. Für Ostdeutschland wird aufgrund dessen für die Zukunft ein erheblicher Fachkräftemangel erwartet.
Demgegenüber stehen aber auch Ausbildungsplätze zur Verfügung, die trotz der Jugendarbeitslosigkeit unbesetzt bleiben. Zum einen ist dies auf die gehobenen Qualifikationsansprüche von Seiten der Arbeitgeber, die aus der technologischen Weiterentwicklung resultieren, zurückzuführen. Zum anderen sind die Gründe aber auch darin zu suchen, dass zahlreiche traditionelle und sehr spezialisierte Ausbildungsberufe an Attraktivität verloren haben. Beispielsweise werden dringend Auszubildende in Handwerkerberufen, wie z. B. Bäcker und Fleischer, gesucht, das gleiche gilt auch für Berufe in der Landwirtschaft.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Kerstin Munsel
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2004/2010
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 25.08.2010
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